Mein erstes Vertikal Race – Nordkette VK Run

Ich liebe die Tiroler Hauptstadt Innsbruck. Sie vereint für mich das Sportliche mit dem südländischen Flair einer wunderschön gelegenen Kleinstadt. Über Innsbruck thront die Nordkette – für mich eher bekannt durch das Mountainbiking, aber auch durch das Innsbruck Trail Running Festival sowie die Trailrunning-Weltmeisterschaft 2023.

Durch einen Zufall bin ich auf Instagram auf die Seite des Rennens „Nordkette Vertical Run“ aufmerksam geworden und habe dort an einem gleichnamigen Gewinnspiel teilgenommen, bei dem ich prompt zwei Startplätze gewonnen habe.

Hier ein paar Kurzinfos zum VK: Der Run startet in Innsbruck, führt am Alpenzoo vorbei über die Hungerburg hinauf und dann steile 6,7 km mit 1332 Höhenmetern bis zur Seegrube, die auf 1905 Metern liegt und das Ziel darstellt.

Nun gut, den Berg schnell hinaufzulaufen mache ich in Hammersbach non-stop, also warum nicht mal versuchen? Mein Hometrail ist ein technischer, 4,2 km langer, steiler Steig mit ca. 860 HM, die ideale Trainingsstrecke für den Run. Allerdings habe ich mir wenig Hoffnung gemacht, schnell abzuschneiden, da solche kleine Rennen meist von lokalen Läufern dominiert werden.

Und dann passierte auch noch ein Unglück. Ende August brach ich mir durch einen dummen Haushaltsunfall den linken Daumen. Leider fiel somit das Laufen mit Poles/Stecken aus, da ich diese einfach nicht halten konnte, was ein riesiger Nachteil war. Poles sind bei solch steilen Rennen extrem hilfreich, da man sich gut an ihnen hochziehen kann und einfach schneller vorankommt. Den Daumen konnte ich tapen, aber greifen konnte ich nicht. Aber man rennt ja bekanntlich nicht mit den Händen, sondern mit den Beinen, gell?!

16 September 2023 – Race Day

Den Daumen hatte ich dann doch in eine kleine Schiene gepackt, die Schuhe geschnürt, den Rucksack gepackt, und Petrus meinte es sogar sehr gut mit uns. Die Sonne schien, und es sollte ein heißer Septembertag werden.

126 Teilnehmer machten das Teilnehmerfeld sehr überschaubar. Gestartet wurde an der Talstation Hungerburg am Löwenhaus, wo auch die Startnummernausgabe stattfand. Und ohje, die Leute sahen schon beim Rumstehen alle schnell aus. Wenige Frauen, dafür massig Männer, wahrscheinlich sehr schnelle Männer. Ich bekam Angst, dachte mir aber: Nja, zieh es einfach durch, egal wie!

Und der Startschuss fiel, und alle rannten wie von der Tarantel gestochen los. OH GOTT, das ist überhaupt nicht meine Zone. Ich lief erst schnell mit, konnte aber mit den Männern und deren Tempo nicht mithalten und musste schnell auf meine „Komfort-Pace“ umschalten (bei der ich auch atmen konnte, ohne zu keuchen). Schnell ging es über den Inn, und schon stiegen wir Richtung Alpenzoo und Hungerburg auf. Wir liefen auf Asphalt und Schotterwegen dahin und stiegen immer weiter auf. Bis dahin zählte ich mich eher so im hinteren Feld, da ich einfach so schnell nicht spurten kann, die Zeiten sind vorbei. Meine Distanzen liegen ja eher ab 30 km aufwärts und nicht in der Schnellkraft.

Nach Erreichen der Hungerburg bogen wir bald auf einen schmalen Singletrail ein, nun ging’s ans Eingemachte. Der berühmt-berüchtigte Seilbahnsteig lag vor uns: 3 km mit 1000 Höhenmetern und einer Steigung von max. 70%. Nähere Infos zum Seilbahnsteig findet Ihr hier: https://nordkette.com/angebote/sommer/wanderwege/seilbahnsteig/)

Seilbahnsteig © Sonja Escher

Und ich kämpfte. Mein Daumen pulsierte und fing an, richtig stark anzuschwellen und zu schmerzen. Ich biss die Zähne zusammen und versuchte, die linke Hand hochzuhalten, damit der Daumen nicht noch mehr anschwoll. Aber nichts half, und ich schwitzte. Alles arbeitete in mir, und ich kämpfte mich immer weiter hoch. Was für eine sch… Quälerei!

Seilbahnsteig © Sonja Escher

Leider kam ich immer weniger zurecht. Ich versuchte, meine positiven Mantras abzurufen, aber es half einfach nichts. Manchmal läuft es gut, und manchmal nicht – und heute war so ein Tag. Nichts ging. Ich schlich dahin, rutschte den steilen Steig entlang, über Wurzeln und Geröll, aber ich kam einfach nicht voran. Ich fühlte mich echt schlecht (mein Magen schmerzte), aber ich kämpfte mich höher und höher. Ein Pärchen war noch hinter mir, und die Dame hatte auch Schwierigkeiten mit der Strecke, das beruhigte mich irgendwie, doch half es mir auch nicht. Ihr Freund bot mir sogar seine Poles an, die ich dankend ablehnte. Die Geste fand ich unglaublich nett, so etwas würde einem im Straßenlauf niemals passieren.

Dann kam auch schon die VP (Verpflegungsstation), und ich gönnte mir ein paar Bananen, Wasser und Cola. Ich war wirklich leer, und die letzten Läufer überholten mich nun auch noch. Ich gab auf und fand mich damit ab, Letzte im Ziel zu werden. „Ach, ist doch egal“, dachte ich mir. „Ich renne hier mit gebrochenem Daumen, quäle mich ab, es geht ja um nichts. Dann ist es doch auch egal, auf welchem Platz ich bin.“ Und dann kamen die steilsten Stufen, die ich je hochgestiegen bin.

Wadlbeißer Stufen © Sonja Escher

Alles zog sich, ich stieg auf, lief auf Forststraßen, bog auf rutschige Steige ein und kämpfte mich hoch. Von weitem sah ich noch das vorherige Pärchen, und das spornte mich noch mehr an, weiterzukämpfen.

© Sonja Escher

Endlich war ich oben. Ich sah den Zielbogen schon – „nun gib alles, Sonja“, dachte ich mir. Alles tat mir weh, mein Daumen pulsierte stark, mein Atem war weg, ich musste mich fast übergeben, und meine Beine schmerzten wie wahnsinnig. Aber endlich überquerte ich die Ziellinie.

Das Ziel in der Ferne © Sonja Escher

Doch ich hörte meinen Namen nicht, kein Klatschen (außer von meinem Freund, welcher übrigens eine halbe Stunde vor mir bereits im Ziel war) – einfach nichts. Und die fingen schon an, alles abzubauen. Häh? Was war hier denn los? Naja, ich habe wahrscheinlich den Cut-Off verpasst, dachte ich mir. Dann wird man auch nicht erwähnt. Trotzdem war ich unfassbar happy, im Ziel zu sein, es unter diesen widrigen Bedingungen geschafft zu haben. Dieser VK hatte mir wirklich alles abverlangt, was ich hatte.

Bald hingen auch die Zielzeiten und Ranglisten aus, und ich war gespannt, wie schnell alle anderen Läufer waren und ob ich wirklich die Letzte im Rennen war. Die Zeiten der Schnellsten waren wirklich sehr beeindruckend, doch ich fand meinen Namen nicht auf der Liste. Falls ich DNFed (Did Not Finish) hätte, wäre dies vermerkt, doch da stand einfach nichts. Die Siegerehrung fand im Hintergrund statt, und der Moderator erwähnte, dass ich sogar die Zweitschnellste in meiner Altersklasse gewesen wäre. Seine Worte klangen aber eher unfreundlich: „Schade, aber Frau Escher ist ja nicht angetreten“ – öhm, was? Solche Sprüche kann man sich mal schlichtweg sparen, dachte ich mir! Ich bin sehr wohl angetreten! Zwar nicht so gut wie alle anderen, ja, ich schämte mich etwas, aber ich bin angetreten, ich bin verdammt nochmal angetreten, ich bin diesen unfassbar steilen Trail gelaufen und bin im Ziel angekommen. ICH BIN ANGEKOMMEN! Ich war echt wütend und enttäuscht gleichzeitig.

© Sonja Escher

Ich vermutete, dass ich zeitlich nicht erfasst worden bin oder dass ich den Cut-Off nicht bekommen habe. Nach der Zeremonie der Schnellsten sprach ich mit einem der Veranstalter und erklärte, dass ich sehr wohl gefinisht habe. Auch fragte ich, ob es einen Cut-Off gab – er verneinte. Ich zeigte ihm daraufhin meine Daten, die auf meiner Laufuhr gespeichert sowie auf Strava hochgeladen waren. Hier konnte man ja klar erkennen, wann ich gestartet bin, und dass ich nicht DNFed hatte. Er hörte sich alles an, nahm meine Daten auf, nahm auch meine Startnummer mit und sagte, er würde dies prüfen und klären. Na, ich bin ja gespannt, ob da was rauskommt. Aber es kam was raus! Ich wurde ins Ranking aufgenommen, zwar als letzte Läuferin, aber ich bin somit nicht DNS (Did Not Start) oder DNF. Ich hatte zwar nicht mehr daran geglaubt, aber immerhin. Meine Startnummer war nicht freigeschaltet und hatte somit keine Daten erfasst. Deshalb wusste auch keiner, dass ich überhaupt auf der Strecke war, was auch echt gefährlich hätte sein können im Falle eines Unfalls etc..

Aber für mich war klar: Nie wieder ein VK laufen. Da hast du einfach keine Chance gegen die schnellen Locals! Und nein, Spaß hat’s auch keinen gemacht. Zumal die Panne mit der Startnummer mir wirklich noch mehr die Freude genommen hat, an Rennen überhaupt noch anzutreten.

https://strava.app.link/F3e8erScVLb

Infos zum Rennen findet Ihr hier: https://www.nordkette-vertical-run.at/