Der 12. Mai, endlich war er da. Mit Aufregung und Spannung haben Martin und ich auf diesen Tag hingefiebert. Das Training sollte sich heute bezahlt machen. Unser Ziel war auf jeden Fall zu finishen – und das unter 20 Stunden! Na dann, ready, steady, go!
Ein Rennbericht
*Ich bin nervös, muss auf´s Klo und hab nasse Hände. Heute ist es soweit mein Lieblings-Kollege Martin und ich wir gehen und zwar nach Mittenwald, satte 100 Km am Stück! Startpunkt des Megamarsch Events in München ist der Biergarten an der Menterschwaige, mitten in den Isarauen. Noch nie hatte ich sowas Extremes gemacht.


Martin ist übrigens genauso aufgeregt wie ich und wir verschafften uns erstmals einen Gesamteindruck des Startfeldes. Der Biergarten ist komplett überfüllt mit Mit-Marschierenden die auf den Startschuss warten. 2000 Teilnehmer, laut Veranstalter, wollten also mit uns in´s Ziel marschieren. Schnell hat Martin einen guten Startplatz an der Startlinie ergattert. Hier geht´s zu wie beim München Marathon. So die Sportuhren sind schon auf Start gestellt, die GPX-Daten mit der Marschroute am Handy geöffnet und nun heißt es nur noch auf das „Go“ warten.
Hier geht´s entlang!
16:10 Uhr! und wir gehen los! Ab jetzt heißt es nur noch, Strecke machen und ab in´s Ziel – von München nach Mittenwald!

Die ersten Kilometer entlang des Isarkanals in Richtung Kloster Schäflarn kannte ich sehr gut durch meine Trail-Runs, MTB-Touren und Trainings-Märsche. Somit war´s hier erstmal ein kleines Heimspiel!
Und die Quint-Essenz ist:
Dehnen, der Tipp schlechthin! Martin und ich hatten ausgemacht dies nach jedem 10ten –15ten km zu machen. Nur kurz, ein bis zwei Minuten um gegen die Versteifung zu arbeiten. Ich baute auch eine Yoga Rückenübung in mein Dehnprogramm ein, denn durch meine volle Trinkblase war mein Rucksack nicht gerade leicht. Und die ersten 10 Km waren schnell gegangen.


Die ersten 20 km bis Schäftlarn wollten wir schnell abmarschieren und möglichst viele abhängen. Der Weg bis zur Abzweigung Höhenschäftlarn ist wunderschön und endet in einer 3 km leicht schleichenden, bzw. „schleimigen“ Steigung (Martins Wortlaut). Um danach bergab durch das Unterholz am Isardamm zu enden. Unsere angestrebte Pace können wir gut halten – 9:30 bis ca 10:15 min/km und überholen immer mehr Teilnehmer in Richtung Pupplinger Au.




Der Beste Teil kommt noch
Die Erste Verpflegungsstation liegt bei Km 23, das Gasthaus Aujäger. Wasser, was zu Essen oder auch Hilfe von Sanitätern konnte man hier finden. Und es waren einige schon nicht mehr marschier fähig!

Wir bleiben nicht lange und gehen flott in Richtung Wolfratshausen. Es dämmerte schon, und wir sind gespannt wie die Nacht so wird.

Ab jetzt gehen wir durch die Nacht! Wir passieren das Gewerbegebiet Wolfratshausen. Packen aber erst unsere Stirnlampen an der der Bundesstraße Richtung Achmühle und Eurasburg aus. Hunderte kleine Lichter tanzen nun entlang der Straße in die Nacht hinein.
Das glaubst Du nicht!
Plötzlich blökt ein Schaf neben mir im Dickicht. Mensch, hab ich mich vielleicht erschrocken. Ein Schaf mitten in der Nacht im Nirgendwo, das erwartet man nun wirklich nicht. Martin und ich witzeln herum bis hinter uns ein Teilnehmer zu Martin meint: „Du bist doch der Schuhverkäufer aus Gröbenzell?“ Da hat doch glatt ein Kunde Martin anhand seiner Stimme wieder erkannt. Welch ein Zufall so mitten in der Nacht auf dem Weg nach Eurasburg.

An der Aid-Station angekommen verabschieden wir uns von Martins früherem Kunden, der sich zum Sanitäts-Zelt begibt und wie für viele andere auch seinen Marsch für heute beendet. Die tanzenden Lichter werden weniger.
Wir ändern unser Outfits. Mütze und Handschuhe sowie eine Softshell Jacke und eine lange Kompressions Tight werden angezogen und bringen mich ab jetzt durch die Nacht. Martin braucht, Mann-Typisch, weniger wie ich. Er setzt sich nur eine Mütze auf, zieht Longsleeve und Merino Kompressionssocken an. Echt beneidenswert!
Der schwierige Teil kommt erst noch
Ab Eurasburg gibt es erstmals 30 km lang keine Verpflegungsstation. Das nächste große Ziel ist somit der Ort Kochel am See. Durch unseren Geburtstags-Marsch nach Bichl kannten wir schon den Großteil der ersten 52 Km. Jedoch ließen wir damals ein großes Teilstück aus, welches wie nun meistern müssen. Es geht an riesigen Bauernhöfen, auf Forstwegen und Wiesen entlang. Die Nacht umschließt uns und die Stille beruhigt. Der Umweg hat sich gelohnt.

Ich konnte meine Augen kaum von dem wunderschönen Sternenhimmel wenden. Soviele Sterne! Wir gingen, immer noch unsere Pace haltend, an Kühen entlang die uns neugierig beobachteten und schlafenden Katzen die im Gras lagen. Und Schwupps waren wir wieder auf dem uns bekannten (Jakobs)Weg, entlang der Loisach in Richtung Bichl.
Warum Kartenlesen gefragt ist
Die Uhrzeit sagt 02:20 Uhr und wir dehnen uns am Bichler Bahnhof. Wir verspühren keine Müdigkeit, das Adrenalin und die Aufregung, was uns die nächsten 46 km erwarten würde, hält uns wach. Die zweite Hälfte der Strecke war für uns noch komplettes Neuland. Eine echte Challenge! Zügig durchqueren wir das schlafenden Bichl. Gehen rasch ´gen Benediktbeuern, dann nach Gschwendt und schließlich bergauf auf den Pfisterberg. Ab hier war gutes Kartenlesen gefragt. Teilweise waren die wegweisenden Pfeile vom Veranstalter auf´s Gras gesprüht worden und nicht immer gut zu finden. Aber durch gekonntes Teamwork und der gegenseitigen Hilfe von anderen Teilnehmern und der GPX-Strecke am Handy fanden wir immer den richtigen Weg. Und es geht bergauf und wieder bergab. Ich versuchte den steinig, wurzeligen Trail schnell abzulaufen. Und zack, lag ich am Boden! Was war passiert: Bei einer Steilstufe war ich leicht unachtsam, rutschte aus und knalle mit der Kniekehle und dem Ellenbogen sowie der Handfläche auf dem harten Boden auf. Auf einen Schlag war ich wieder hell wach. Das Adrenalin übermächtig. Schnell schaute ich ob ich Verletzungen hatte, es sah aber nicht danach aus. Allerdings habe ich später festgestellt, das ich mir die Wade tief aufgerissen habe. Es dämmerte schon, bald wird es hell.

Die Verpflegungsstation ab Km 67 lag schon vor uns – die Gaststätte in Kochel am See. Wir füllen unsere Wasserreserven auf und ich wechsele meine Brooks Laufschuhe gegen meine Adidas Terrex Trailschuhe. Ich merke eine leichte Blase an der linken Ferse und hoffe dass diese nicht schlimmer wird. In der Gaststätte selbst lagen viele Marschierende erschöpft oder auch schlafend auf den Bänken und Stühlen. Eine Gruppe (wohl Bundeswehrler) stärkte sich durch ein deftiges Weißwurstfrühstück, typisch Bundis, typisch Bayern!

Das Grauen hat einen Namen
„Nun kommt der Kesselberg!“– wir beide schnaufen tief durch und machen uns auf den Weg. Ja und wie er kam, ca. 860 Meter hoch ist der Pass zwischen Kochel am See und dem Walchensee. Es geht recht steil auf ihn hinauf. Normalerweise machen mir solche Anstiege nichts aus, aber hier hatten wir schon 68 km Weg hinter uns ohne eine Minute geschlafen zu haben, zudem hatte ich seit kurz vor Kochel einen leichten Migräne Anfall, der nicht weichen will und mir schlimme Gleichgewichtsstörungen bereitete. Ich schleppte mich wirklich den Berg hoch. Schritt für Schritt musste ich kämpfen. Martin der unglaubliche Reserven durch seine Ride Shots hat ist ein wirklich ein guter Motivator den Berg schnell aufzusteigen. Ich kannte den Pass ganz gut und wusste wann es endlich bergab Richtung Walchensee gehen würde. Und dann lag er da, der Walchensee mit Blick auf die Bayrische Voralpenwelt. Die Sonne streichelte die Berghänge auf der gegenüberliegenden Uferseite. Es war unglaublich schön, trotz all der Anstrengung!

Entlang der Seestraße gingen wir, mit nur noch wenigen Teilnehmern, Richtung Ort Walchensee der vierten Aid-Station (bei 77,6 km) entgegen. All die Riegel die ich in den Trainingsläufen aß, konnte ich auf einmal nicht mehr sehen. Alles ekelte mich an! Ich war sehr froh Bananen und Salzstangen vorzufinden. Endlich echtes Essen! Die restlichen Riegel schleppte ich nun aber umsonst mit. Die einzigen Pusher waren die Coffaine Boost Ampullen von PowerBar. Diese waren nicht zu süß und gaben mir den richtigen Push um weiter durchzuhalten. Martin schwor auf die PowerBar Ride Shots. Er aß meist fünf Stück auf einmal, was ihn sehr hibbelig wirken lies. Auch hat sich Martins Uhr sich leicht in den Kilometer Angaben vertan und gab uns Phantasie-Daten an. Gott sei Dank war auf meine Suunto verlass!
Nur noch 22,4 km bis zum nächsten Punkt – Wallgau und dann Krün. Der Weg führt uns durch Wälder mit leichten Anstiegen aber meine Migräne hat mich voll und ganz in der Hand. Schwindel und Gleichgewichtsstörung nehmen stark zu und ich merke Martin machte sich zunehmend Sorgen. Aber so kurz vor´m Ziel aufgeben? Ein klares NEIN! Hier lasse ich mich nicht von meiner Krankheit diktieren, hier bestimme immer noch ich! Als wir das erste Schild in Richtung Mittenwald sehen sind wir beide Hochmotiviert. Bald haben wir´s geschafft!
Das Erfolgsgeheimnis

Der Naturpark Karwendel belohnt uns mit einem unglaublichen Bergpanorama. Nun begleiteten uns, die Soiernspitze, den Feldernkopf und die Hochkarspitze bis nach Mittenwald. Aber auch Teile des Estergebirges und sogar das Zugspitzmassiv konnten wir gut erkennen. Die Kilometer purzelten.
Leider wurde die Sonne zunehmend wärmer, und uns gingen langsam die Flüssigkeiten aus. Martin nannte die Sonne nur noch: „Die gelbe Fratze“. Meine Migräne hatte sich etwas gelegt dafür schmerzen meine Füße sehr. Ich fühlte mich als würde ich auf glühenden Kohlen laufen. Und unsere Pace war somit dahin. Auch konnte man nur noch vereinzelt Leute ausfindig machen die das gleiche Ziel haben wie wir. Und der Weg schien endlos.




Und da lag es plötzlich, hinter der letzten Buckelwiese, – Mittenwald!
Nur noch 1 1/2 Kilometer dann hatten wir es geschafft.

Wir kratzten unsere letzten Kräfte zusammen um an´s Ziel zu gelangen.


Und plötzlich hatten wir es geschafft! 100 km von München nach Mittenwald in 19 Stunden 43 Minuten und 52 Sekunden! So schnell, damit hatten wir nicht gerechnet. Martin erreichte als 56ter das Ziel und ich als 57te und als 13te Finisher Frau! Und wie glücklich wir waren endlich da zu sein. Eine schöne Medaille gab es obendrein!
Ich bin sehr, sehr stolz auf unser gemeinsame Leistung, denn ohne Martin und sein Verständnis für meine Migräne, seinen Antrieb und seine Witze wäre der Marsch nur halb so schön gewesen. Danke Lieber Martin! Neue Pläne haben wir auch schon, aber die werden hier noch nicht verraten.

Bis zum nächsten Event!
Eure Sonja
*Unbezahlte Werbung, da Markennennung, Veranstaltungsnennung, Ortsnennung!