Wenn die 112 dein Freund wird
*Der Karwendelmarsch ist ein legendärer Trail Run oder Wanderevent über 52 km oder 35 km in Tirol, Österrreich. Die Strecke startet im Ort Scharnitz und geht über den wunderschönen Naturpark Karwendel in die Eng und von dort in´s Ziel Pertisau am Achensee. Das Karwendel Gebirge, vor allem die Silberregion kenne ich recht gut. Oft waren wir hier für Wanderungen und Trail-Läufe. Beeindruckend sind die massiven Berge wie die Laliderer Wände und die wunderschönen Täler. Diese Region erinnert mich immer ein bisschen an das Yosemite Valley in Kalifornien. Als Ultraläufer habe ich mich für die längere Distanz angemeldet und fieberte diesem Event schon lange entgegen. Ein Traum-Run der endlich in Erfüllung gehen sollte.
Nach der Anmeldung wunderte ich mich schon da ich keine genaueren Infos vom Veranstalter über den Lauf bekam. Nach genauem Betrachten der Webseite, kam mir schnell die Erkenntnis: Die Organisation wird nicht so laufen wie beim ZUT. So sammele ich alles Wissenswerte über die Webseite und finde einen Speiseplan. Was ist das? Leider sehe ich dort keine Läufer spezifische Nahrung, nur Käse-/ und Wurstbrot. Dass könnte spannend werden. Naja, schaun mer mal, wie man in Bayern sagt!
Die Startnummernvergabe verläuft recht unspektakulär. Ich gehöre zum Team Läufer und man drückte mir meine Nummer, die 112 sollte es sein, in die Hand. Noch ein Paar Flyer und Infos dazu und das war´s. Die Wanderer und Läufer werden beim Start getrennt, damit man sich nicht in die Quere kommt. Macht Sinn. Alles in allem ist hier alles recht spartanisch gehalten.

Ein Unglück kommt selten allein
Nun ist es soweit. Der Renntag steht an als der Wecker um 4 Uhr morgens klingelt und mich aus dem Bett wirft. Ich bin tot müde mein Kaffee muss her. Auch versuche ich etwas zu Essen, was mir schwer gelingt. Es gibt zwar keine Mandatory Gear Liste, aber ich checke trotzdem nochmals meine Sachen. Heute sind Sonnenbrille, Mütze und genügend Iso-Drinks Pflicht! Es sollen heiße 32 Grad werden, und der Weg bietet so gut wie keinerlei Schatten. Ich bin sehr angespannt, alles ist irgendwie anders.


In Scharnitz, an der Olympiaregion Seefeld, angekommen tummeln sich schon etliche Teilnehmer um das Start-Tor. Irgendwie beschleicht mich das Gefühl, hier gehen wenige obwohl alle „Wanderer“ sind. Ich werde wieder nervös, wie immer wenn ich vor einem Start-Tor stehe und der Countdown zum Start runter gezählt wird. Noch sind die Temperaturen recht frisch.
Der Startschuss fällt um 6 Uhr Morgens und wir laufen alle los. Ui, hier wird ja gerannt was das Zeug hält. Ich versuche meinen Rhythmus zu finden und mich durch das hohe Tempo der anderen nicht mitreißen zu lassen. Auf einem eher langweiligen Forstweg geht es auf und ab und wir sehen außer Wald und die Berge nicht viel.


Es dämmert schon und bald geht die Sonne auf. Richtig spooky sehen die Nebelfelder auf den Waldwiesen aus. Ich laufe, überhole und werde überholt. Ich sehe viele Wanderer laufen, aber irgendwie ist das doch schummeln oder? Wenn ich Läufer bin dann laufe ich, wenn ich Wanderer bin dann wandere ich doch oder? Na dann, ois wurscht, dann renn ma hoid!
Und dann geht´s dahin
Die erste VP – Schafstallboden bei 9.58 km lasse ich direkt aus und laufe in Richtung VP Karwendelhaus. Ich bemerke schnell dass ich Probleme mit der Sicht bekomme und kriege einen Migräne-Anfall mit Schwindel und Koordinationsschwierigkeiten. „So eine Sche…!“, fluche ich in mich hinein. Das hat wohl mit dem frühen Aufstehen und den heißen Temperaturen an diesem Tag zu tun. Verdammt! Ich quäle mich, ja, ich kämpfe mich mit meinen Stöcken die Anhöhe Richtung Karwendelhaus hoch. „Sonja, shit echt! Jetzt versuch dich zu fokussieren!“, ermahne ich mich.


Ich versuche mich abzulenken, die Landschaft aufzusaugen, mich zu beruhigen. Das Tal nochmals Revue passieren zu lassen und mich zu entspannen. Gleich bin ich an der VP, und ich hoffe es gibt Cola, die kann alles richten. Koffein und Zucker, dass hilft!
Aber Satz mit X, dass war wohl nix. Als ich nach harten 18,19 Km an der VP Karwendelhaus angekommen bin sehe ich weder eine ordentliche Läufer-Verpflegung d.h. kein ISO-Drink, keine Cola, keine Power-Riegel o.ä., dafür gibt es Käse-/ und Wurstbrot in unappetitlich gelagerten Boxen und Kräutertee oder Hollersirup. Da war er also der angepriesene Speiseplan. Ich esse meine mitgebrachte Verpflegung, schnappe mir nur ein paar Bananen und hoffe das Essen mindert meine Migräne. Ein paar Koffein Marshmallows später starte ich wieder in einen langen technischen Downhill in Richtung „Kleinen Ahornboden“.


Ich laufe einigermaßen gut und kann viele überholen. Auch merke ich schnell, hier sind keine geübten Downhill-Läufer am Start. Einen direkten Cut-Off an einer VP gibt es nicht. Man soll nur um 14:30 Uhr die Eng passiert haben. Somit liege ich trotz Anfall gut in der Zeit.


Nach 24,23 Km komme ich an der VP Kleiner Ahornboden an und sehe wieder die gleiche Verpflegung und ein kleiner Tisch an dem Tierfell verkauft wird?! Was, jetzt, ernsthaft? Ich verstehe nichts mehr.


Dennoch versuche ich etwas Hollersirup zu trinken und mag es nicht. Es läuft eben alles nicht nach Plan. Trotzdem laufe ich weiter! Wo sollte ich denn hier auch aufhören? Dazu müsste ich dass Johannistal bis zur Landstraße entlang laufen, dass würde noch länger dauern und Kontakt kann ich hier auch keinen aufnehmen da ich absolut keinen Handyempfang habe. Da bleibe ich lieber auf der Strecke, und überlege wie ich diese trotz Migräne meistern soll.


Und weiter geht´s – in die falsche Richtung
Es ist nun brütend heiß, der Schatten ist so gut wie nicht vorhanden. Mir läuft der Schweiß überall hinunter und mein Körper will die Anstrengung nicht mehr mitmachen und rebelliert. Der Schwindel ist noch leicht da, dafür ist die Übelkeit über present. Dass ist gar nicht gut, jetzt noch brechen dass wäre der overkill. Ich kämpfe weiter, versuche mein Mindset zu richten, positiv zu denken und mich auf die wunderschöne Aussicht zu konzentrieren.
Ich passiere das Johannistal, es geht ab jetzt steil bergauf und ich kämpfe gegen mich und gegen die Hitze. Ich habe das Gefühl ich komme nicht voran und brauche ewig für die paar Meter. Ein kleines Bacherl an den umliegenden Almhütten bietet Erfrischung und ich versuche mich abzukühlen. Das tut unfassbar gut! „Weiter Sonja!“, sage ich mir und ich schleppe mich in Richtung der Laliderer Wände, der nächsten VP Falkenhütte bei Km 30,32 Km entgegen.


Ich muss oft pausieren, da ich vor Hitze nur noch Schwarz sehe. „Mach langsam, ist doch grad egal wie schnell du bist!“, sagt meine innere Stimme. Ich setzte langsam einen Fuß vor den anderen und komme langsam und fix und fertig an der VP an. Was für eine Tortur! Ich dachte schon der Megamarsch war hart, jedoch meine Migräne, die Übelkeit und diese unfassbare Hitze sind eine ganz andere Hausnummer.
Und dann kommt mir der rettende Gedanke
Aus den Musikboxen dröhnt Aprés-Ski Musik, und die VP-Crew hat ihren Spaß. Ich setze mich einfach irgendwo hin und überlege zum ersten Mal dass ich in der Eng dem ganzen Lauf-Leid ein Ende gebe und DNFe. Der Gedanke ist omnipresent und bis zur Eng sind es nur noch 5 Km, die krieg ich auch noch rum.
Der Weg geht jetzt in einen technischen Downhill über und ich tänzel flotten Schrittes den Berg hinunter. Endlich bekomme ich ein bisschen Schatten unterhalb der Hänge ab. Ich versuche weitere Teilnehmer zu überholen, doch viele Herrschaften lassen sich selbst durch Bitten nicht zum Platz machen erweichen. Das ist echt eine richtige Sauerei! Ich bin nur noch genervt und möchte endlich ankommen. Das ist einfach nicht mein Rennen!


Ich renne und werde von einigen entgegen kommenden Wanderern angefeuert. Von weitem sehe ich schon die Käsereien und die Ahornbäume in der Eng und nun renne ich meinen Akku komplett leer. An der VP Eng kann man den Lauf ganz unkompliziert beenden und bekomme trotzdem eine Medaille.


Meine Zeit war trotz allen Hindernissen wie Migräne, Hitze und Übelkeit bei 5 h 48 in für knapp 35 km. Für mehr Details schaut doch einfach auf meinem verlinkten Suunto – Account vorbei!

Mein Resumeé
Die Silberregion Karwendel gehört für mich zu den schönsten Lauf und Wandergebieten. Sie ist immer ein Besuch wert! Allerdings würde ich den Karwendelmarsch eher einem Wanderer statt einem Trailrunner empfehlen. Läufer werden mehr Spaß bei Tagestouren in der Region haben, da die Strecke zwar lang aber nicht besonders technisch oder anspruchsvoll ist. Die Verpflegung fand ich leider etwas zu sehr auf Wanderer ausgelegt. Ich bin echt nicht arg wählerisch, aber warmen Tee an solch einem heißen Augusttag auszuschenken ist zwar nett gemeint aber meiner Meinung nach etwas zu wenig. Ein, oder zwei Sachen die mehr auf Läufer ausgelegt sind wäre als Verpflegung schön. Leider bin ich mehr von diesem Event und dem unsportlichen Verhalten einiger Teilnehmer enttäuscht als von meiner sportlichen Leistung. Einige Rennen sind´s halt nicht, und dies war so eins.
Aber vielleicht hatte ich auch nur einen schlechten Tag, und ihr lauft den Event selber mal ab!
*Unbezahlte Werbung, da Markennennung, Veranstaltungsnennung, Ortsnennung!